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Aus dem Archiv

"Celloabend mit Georgiy Lomakov (Violoncello) und Kyoko Tasawwa (Klavier)"

Werke von Bach, Beethoven und Brahms


Brahms hätte seinen Hut gezogen

"Musik in Scheune und Kapelle". Wer die kleine, aber feine Konzertreihe - in der Obhut der Gemeinde Rückersdorf - kennt, weiß, dass sie immer ein Ort besonderer musikalischer Erlebnisse und außergewöhnlicher Begegnungen ist. Und dass dies nichts mit großen etablierten, internationalen Namen zu tun hat. Dafür sind die von Jürgen Harries so fachkompetent und eloquent moderierten, vielfach dem musikalischen Nachwuchs gewidmeten Konzerte stehender Beweis. Den Schlusspunkt des letzten Konzerts vor der Sommerpause setzte der Prüfungskandidat der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, Georgiy Lomakov (Violoncello), zusammen mit seiner Klavierpartnerin Kyoko Tazawa. Aber was für ein Konzert!

Georgiy Lomakow ist schon lange kein "no-name" der Musikszene mehr. Überregionale Auftritte, Orchesterkonzerte und Kammermusikabende, zuletzt eine CD-Einspielung haben ihn schon längst dem musikstudentischen Status quo enthoben und zu früher Meisterschaft geführt. "Frühe Meisterschaft" wohlgemerkt, denn der junge Solist, der seine Studien demnächst in Boston fortsetzen wird, ist mit Sicherheit ein künstlerisch reifer, aber noch kein ausgereifter.

Das ist bei weitem kein Manko, sondern Charakterisierung eines großen Potenzials künstlerischer Kraft und musikalischen Leistungsvermögens, dem noch viele Visionen anhaften. Sein Programm zeigt das. Was wenige "alte Hasen" des Konzertpodiums wagen, Bachs Solosuiten für Cello an den Anfang zu setzen, Lomakov tut es und löst die Riesenaufgabe der Es-Dur-Suite mit technischer Souveränität und musikalischer Eindringlichkeit.

Aber auch musikantisch explosiv kann er sein. Zusammen mit Kyoko Tazawa gerät da die folgende Sonate (F-Dur op. 5,1) des jungen, 26-jährigen Beethoven zur Spielfreude pur. Überraschend, dem Kopfthema des Sonatensatzes als "musikalischem Wirbelwind" zu begegnen: als Ausgang für ein furioses Feuerwerk des Klaviers mit koketten Bravourkünsten des Violoncellos, aber überzeugend in der stimmigen Geschlossenheit der Gesamtanlage. Ein ganz anderer Focus auf das Beethovensche Werk, der ihm jugendliche Dynamik und verspielte Leichtigkeit gewinnt.

Dann aber, nach der Pause: Johannes Brahms, Sonate für Klavier und Violine d-Moll op.108. Nein, kein Druckfehler: für Violine. Lomakov hat sie für sein Instrument bearbeitet und sich damit auf ein Risiko eingelassen. Würde das Cello die Espressivität des Werkes, seine so sehr von der Violine bestimmte Ausdrucksdynamik ohne Schaden übernehmen können? Kann solche Transkription legitim sein oder ist sie Sakrileg am brahmsschen Werk, der so penibel mit seinen Kompositionen umging, von Zweifeln und Ängsten am eigenen Werk geplagt war? Viele Fragen standen im Raum und die Spannung war groß.

Jetzt ging es nicht mehr darum, zwei jungen Musikern auf dem "gradus ad parnassum" zuzuhören, nein, hier stellte ein Musiker seine autonom künstlerische Entscheidung zur Debatte. Und schon nach den ersten Takten weiß man, es war eine gute, eine richtige Entscheidung, eine die dem brahmsschen Ouvre ein weiteres Werk hinzugewinnt.

Lomakov versteht es, die dramatischen Akzente in den Celloton einzubinden, findet die rechte Balance zwischen den Klangpersönlichkeiten von Geige und Cello, führt die schwerlastige Sonorität des Cellos in die Eindringlichkeit großer musikalischer Bögen und bindet sie mit spieltechnischer Sensibilität und klangtechnischer Phantasie. Und das Publikum lauscht mit gebannter Stille. Es ist, als ob der Geist des Komponisten mit im Saale wäre.

Dann aber bestätigen die Bravo-Rufe und begeistertes Füßestampfen den Künstler und stimmen einer Transkription zu, die wohl auch den Komponisten selbst überzeugt hätte. Ein großes Erlebnis.

Wolfgang G.P. Heinsch